Termine in der Nacht 2.0

Ich liege im Bett eines sehr hübschen und sehr netten Mannes. Es ist unser 3. Date und daher findet es bei ihm Zuhause statt. Ja, so ein richtiges Date. Ohne Bezahlung. Auch wenn es ganz sicher nicht auf etwas „Richtiges“ hinauslaufen wird.

Er streichelt mich und ich schiele auf die Uhr. Es ist bereits nach 1 Uhr und kalt draußen. Er fragt, ob ich über Nacht bleiben will oder nach Hause fahren möchte. Ich überlege gar nicht lange. Ich habe weder eine Zahnbürste noch mein Abschminkzeug dabei und reibe mir bereits jetzt sämtliche Mascara immer wieder aus dem Auge. Meine Haut macht gerade eine schwierige Phase durch und ist zickig. Ein Tag ohne Salizylsäure auf den Problemstellen verzeiht sie mir nicht. Und Oropax habe ich auch nicht dabei. Ich schätze ihn als ruhigen Schläfer ein, aber trotzdem. Ich mag es nicht, bei anderen Leuten zu schlafen, wenn ich nicht darauf vorbereitet bin.

Außerdem hat mich Matthias vorhin angefragt. Er ist in der Stadt und will mich sehen. Er ist wieder im gleichen Hotel wie damals. Das am Flughafen. Ich überlege hin und her. Bin immer wieder kurz davor, ihm abzusagen und denke dann „aber wenn das mit dem Typen nicht klappt und ich nach einer Stunde gehen will, ärgere ich mich am Ende“. Ich frage ihn, wie lange ich mich melden kann. Er schreibt, dass er flexibel ist. Ob nach 1 Uhr auch noch geht. Ja, das geht.

Mein Date fragt mich, ob ich die Busfahrzeiten checken will und ich brauche mein Handy dazu. Er sitzt vor mir und grinst mich an, während ich Matthias frage, ob es jetzt auch noch geht. Ich finde einen Bus in 40 Minuten, was mein Date nervös macht. Er muss morgen früh raus, weil er Uni hat. Ihm wäre es wahrscheinlich lieber gewesen, wenn wir einfach eingeschlafen wären.

Ich beschließe ein Taxi zu nehmen und gehe nach draußen. Es regnet. Stark. Da das nicht angekündigt war, habe ich keinen Schirm dabei. Kurz überlege ich, doch noch mal hoch zu gehen und bei ihm zu bleiben, aber dann schreibt mir Matthias. „Komm direkt her“

Ich habe ihm geschrieben, dass ich noch in der Stadt bin und von hier aus fahren könnte. Das würde sowieso schneller gehen. Aber Spielzeug kann ich dann nicht mitbringen. Seine Antworten dauern, weswegen ich doch schon mal zur Haltestelle laufe. Ich sehe, dass der Bus in 10 Minuten kommt. So lange hat Matthias Zeit, sich zu überlegen, ob er mir mein doppeltes Honorar zahlen will, was ich für den einstündigen Besuch nehmen würde. Plus Taxikosten in Höhe von 110€. Er zahlt mir dann das, was meine Mitbewohnerin als Kellnerin im Monat bekommt. „Ist ok“, antwortet er.

Ich rufe ein Taxi und signalisiere dem Busfahrer, dass er weiterfahren kann. Der Taxifahrer kommt und ich frage, wie teuer es zum Flughafen ist. Ich habe nämlich nur noch 60 Euro in bar dabei. Er antwortet 50, aber meint gleichzeitig, dass ich angegeben habe, dass ich woanders hin will. Nein. Das ist falsch. Ich kontrolliere die Adresse noch mal, gebe sie bei google maps ein und komme immer wieder in dem Stadtteil raus, den mir der Taxifahrer gerade genannt hat. Aber da ist das Hotel nicht. Ich rufe Matthias an. Mit meiner Privatnummer. Mein Arbeitshandy habe ich natürlich nicht dabei. Aber ich schätze ihn als harmlos ein. Daher sollte das okay sein. Er meldet sich verwundert und erst nach dem 10. Klingeln, was mich etwas nervös gemacht hat. Ich frage ihn, in welchem Hotel er tatsächlich ist und es ist das am Flughafen. Er hat mir einfach nur eine falsche Adresse gegeben, weil das Hotel eine Kette ist und mehrere Niederlassungen hat. Das Gespräch muss für den Taxifahrer sehr eindeutig gewesen sein.

„Hey, hier ist … A. In welchem Hotel bist du noch mal? Ah, das am Flughafen? Das vom letzten Mal? Ok. Du hast mir nämlich eine falsche Adresse gegeben. Ja. Ich bin jetzt unterwegs. Ok. Bis gleich.“

20 Sekunden später ruft er mich zurück. Fragt, wie lange wir noch brauchen, denn er ist gerade auf dem Weg, um Geld zu holen. So viel hat er natürlich nicht dabei. Seine Stimme ist laut und deutlich. Natürlich hat auch das der Taxifahrer gehört. Auch, dass ich schon mal reingehen soll und dann vor der Zimmertür warte.

Wir kommen an. Es ist inzwischen 2.30 Uhr. Ich gebe dem Taxifahrer ein großzügiges Trinkgeld, damit er nicht auf die Idee kommt, sich über mich zu ärgern und mir hinterher zu schnüffeln. Von anderen Frauen habe ich schon gehört, dass sich die Taxifahrer bei ihnen melden, weil er ja ihren Namen, ihre Handynummer und die Adresse kennt, wenn man über Apps wie mytaxi bzw freenow bucht. Sie würden sie dann bei Facebook stalken und vor ihren Freunden und der Familie outen, wenn sie ihm keine Gratisnummer anbietet. Dieser Taxifahrer kennt nur meine Handynummer, denn ich gebe nirgendwo im Internet meinen richtigen Namen an.

Ich marschiere selbstbewusst durch die Lobby, gehe an ein paar Piloten vorbei, die auf ihren nächsten Flug warten und laufe zum Aufzug. Ich war bereits hier, weswegen ich mich etwas auskenne. Im Aufzug atme ich trotzdem erleichtert durch, als ich sehe, dass ich keine Schlüsselkarte brauche. Ich fahre hoch in den 6. Stock und checke noch einmal, an welche Zimmertür ich klopfen muss. Ich finde sie und klopfe einmal deutlich. Keiner reagiert. Wahrscheinlich ist er noch unterwegs. Ich rufe vorsichtshalber an, falls er eingeschlafen ist und er sagt, dass er gerade wieder zurückgekommen ist. 5 Minuten stehe ich vor der Tür und bin tiefenentspannt. Bei Matthias habe ich ein gutes Gefühl. Wieso sollte er mich zu einem falschen Hotel locken?

Ich höre, wie der Aufzug in der Etage hält und sehe einen großen Mann in einem weißen Hoodie und einer hellen Jogginghose auf mich zukommen. Schon von weitem ruft er mir „hey“ zu. Er schließt auf und ich trete ein. Er schaut mich an und mustert mich hoffentlich nicht zu sehr. Ich bin seit vielen Stunden unterwegs. Mein Make-Up ist verschmiert, meinen Eyeliner konnte ich gerade noch so retten und am liebsten würde ich meine Mütze aufbehalten, weil mein Ansatz sicherlich fettig geworden ist, nachdem mich mein Date immer wieder mit seinen flutschigen Fingern angefasst hat. Und weil ich vorhin auf dem Weihnachtsmarkt gewesen bin, riecht alles nach Rauch durch die ganzen Feuerstellen, an denen ich stand. Unschlüssig stehe ich im Zimmer, während Matthias einen Schluck von seinem Cuba Libre nimmt und sich auf das Bett legt.

„Ich gehe noch mal duschen“, sage ich und ziehe mich im Badezimmer aus, um schnell unter das heiße Wasser zu springen. Mit einem Handtuch bekleidet, komme ich wieder heraus und lege mich zu ihm aufs Bett. Er ist stürmisch, will gleichzeitig kuscheln, knutschen, fummeln, einen HJ, BJ und keine Ahnung was. Nach einer halben Stunde kommt er und wäscht sich schnell im Bad ab, bevor er dann wieder ins Bett geht. Wieder stehe ich blöd in der Gegend herum. War es das jetzt? Ich bin vielleicht mal seit 40 Minuten hier, wovon ich mindestens 10 geduscht und herumgestanden habe.

„Also…jetzt mal ehrlich und ohne irgendwie böse zu sein. Aber das ist doch total unverhältnismäßig oder? Also ich gönn es dir, aber das ist doch total banane oder?“, sagt er auf einmal und spielt auf das hohe Honorar an, was er mir gerade für 30 Minuten bezahlt hat. Andere machen für das Geld einen Kurzurlaub. Er bestellt sich für eine halbe Stunde ein Escort aufs Zimmer, weil er da eben Bock drauf hat und unbedingt will. Ich lache nur. Sage, dass das ja seine Entscheidung war und versuche mir ein Taxi zu bestellen. Es ist inzwischen 3.30 Uhr und die App sagt mir, dass erst eins in 30 Minuten kommen wird. Matthias sagt, dass ich gerne hier warten kann, während er schon mal schläft. Er muss morgen früh raus. Dann fragt er mich, ob ich auch mal irgendwo übernachte, wenn es so spät wird. Schließlich ist das doch total blöd, nachts dann noch nach Hause zu fahren. Aber für mich macht das keinen Sinn. Entweder ich bin jetzt noch eine halbe Stunde unterwegs und kann dann ins Bett fallen und ausschlafen. Oder ich verlasse morgens mit ihm das Hotel in aller Frühe, habe vielleicht 4 Stunden geschlafen, mich nicht richtig abgeschminkt, fühle mich eklig und bin dann den ganzen Tag müde, weil ich nach 8 Uhr auch nicht noch mal schlafen gehe.

Ich suche noch einmal nach einem Taxi und nach dem 2. Suchdurchlauf findet sich doch ein Fahrer, der bald da sein wird. Matthias sagt mir im Halbschlaf, dass er bald noch regelmäßiger in meiner Gegend sein wird und hofft, dass es beim nächsten Mal wieder klappt. Ich mache überall das Licht aus und schließe die Tür leise hinter mir, als der Fahrer nur noch 2 Minuten entfernt ist.

Gerade als ich in die Lobby komme, sehe ich, dass das Taxi bereits in der Einfahrt steht. Der Fahrer ist ausgestiegen und war gerade auf den Weg zur Rezeption. Zum Glück konnte ich ihn noch abfangen. Was hätte er auch sagen sollen? „Können Sie Frau Fantasienamen anklingeln und ihr sagen, dass das Taxi da ist?“ Wohl eher nicht.

Der Fahrer ist ein älterer Herr Ende 50. Er fängt immer wieder Smalltalk an und ich antworte höflich, aber knapp. Ich bin zu müde, um zu reden. Wir sind da und er fragt mich, wieso ich denn so früh raus muss. Ich antworte mit einem lang gezogenem „tjaaaa“ und gebe ihm ein großzügiges Trinkgeld. Um 4.30 Uhr falle ich endlich, gründlich abgeschminkt, in mein warmes Bett und schlafe sofort ein.

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