Termine in der Nacht

Ich habe es mir gerade mit einer kuscheligen Jogginghose und meinem Tablet auf dem Bett gemütlich gemacht und will endlich die Serie weitergucken, die so spannend ist. Trotzdem nehme ich noch mal mein Handy in die Hand und sehe, dass mir jemand geschrieben hat. In der Vorschau lese ich nur „ich weiß, es ist etwas ku…“ kurzfristig? Will da etwa noch jemand ein spontanes Date um 22.40 Uhr? Ich denke nicht, dass ich da zusagen würde.

Ich öffne die Nachricht und der interessierte Kunde ist nicht mal in meiner Stadt, sondern 30 km entfernt. Um die Uhrzeit? Auf keinen Fall. Aber dann sehe ich den Chat-Verlauf. Ich kenne den Kunden bereits. Wir haben uns schon mal getroffen. Deswegen wohl diese kurzfristige Anfrage und plötzlich ist es in Ordnung. Das Treffen war nett und angenehm und er wollte sich wieder melden, wenn er in der Nähe ist und das ist er nun.

Ich frage nach, in welchem Hotel er ist. „Direkt am Flughafen“. Puh. Das ist ein Stück und in wie fast jeder Stadt verlangen Taxiunternehmen hohe Preise, wenn sie zum Flughafen fahren. Ob er das weiß, als er mir vorschlägt das Taxi zu bezahlen? Wir einigen uns darauf, dass er mich abholen kommt, weil er noch in der Nähe ist. „Bin in 15 Minuten da“, schreibt er und ich bekomme Panik. Ich habe meinen Pyjama an, bin weder rasiert noch geschminkt. Also springe ich schnell auf, steige unter die Dusche und suche mir etwas zum anziehen raus. In 5 Minuten pinsel ich mir etwas Make-Up ins Gesicht, packe meine Tasche und warte. Natürlich dauert es länger als 15 Minuten und ich habe noch weitere 15 Minuten Zeit, die ich damit verbringe aus dem Fenster zu schauen.

„Bin jetzt da“, lese ich, als ich überlege, ob das Auto in der Einfahrt ihm gehören könnte. Schließlich wäre das ultrapeinlich, wenn ich da jetzt rausgehe, die Tür öffne und es am Ende jemand anderes ist. Aber er ist es und er wartet. Ich ziehe meinen Mantel an, laufe zu ihm und steige ein.

„Hallo, alles klar?“, fragt er mich. Er hat eine ruhige, sehr lässige Stimme. Ähnlich wie deutsche Hip Hop Künstler. Er ist Ende 30 oder Anfang 40 und hat die Erlaubnis von seiner Frau sich auch mit anderen Frauen zu treffen, weil seine Vorlieben nicht mit ihren übereinstimmen. Beim letzten Treffen war er bekifft und hat nebenbei getrunken, weil er so nervös gewesen ist. Heute nicht. Nervös ist er nicht mehr, dafür unglaublich müde. „Das war wirklich eine dumme Idee“, sagt er und ich habe Angst, dass er auf die Idee kommt, mich an der nächsten Ecke wieder rauszuwerfen. Aber er macht es nicht. Stattdessen halten wir bei der Bank und checken nach einer halben Stunde im Hotel ein.

Zusammen mit dem Kunden in ein Hotel einchecken ist immer sehr unangenehm. Sowie heute. Er hat das Zimmer bereits im Vorfeld online reserviert und natürlich nur eine Person angegeben. In einigen Hotels bucht man direkt für 2 Personen. Da ist es egal, wenn eine weitere Person dazu kommt. Aber andere Hotels sehen das enger. „Muss ich dich dann auch einchecken?“, fragt er mich. „Muss ich dann für dich bezahlen?“ Ich schüttel den Kopf. Besuch ist dem Hotelgast erlaubt. Und mehr als zwei Stunden werde ich sowieso nicht bleiben. Vor uns steht noch ein Ehepaar mit großen Koffern, die beide einchecken. Wahrscheinlich haben sie ihren Flug nicht antreten können und brauchen jetzt eine Bleibe. Ich habe nur meine Handtasche dabei, er eine Sporttasche.

Dann ist er an der Reihe und sagt leise seinen Namen. Den wollte er vor mir wohl nicht erwähnen, aber jetzt ist es zu spät. Ob das Zimmer für zwei Personen ist? Nein. Der Mann an der Rezeption guckt nicht mal komisch, als er das hört und wirft auch keinen Blick zu mir. Wahrscheinlich weiß er Bescheid. Ja, sehr unangenehm. Aber zumindest ist mein Kunde kein 60-jähriger Mann, bei dem es sehr offensichtlich ist, was hier vor sich geht. Er könnte auch einfach nur ein Bekannter sein oder meine geheime Affäre. Ich trage nicht mal hohe Schuhe oder ein kurzes Kleid. Ich sehe nach außen heute nicht nach Escort aus. Eher so, als ob ich gerade einen langen, anstrengenden Flug hinter mir habe und jetzt gerne schlafen gehen würde. Aber das wäre ja eigentlich auch falsch.

Er bekommt den Schlüssel und wir begeben uns auf die Suche nach dem Zimmer. Es ist schön und ich lege meine Tasche auf das Bett ab. Er geht duschen. Zum Glück. Denn ich konnte ihn bereits im Auto riechen. Er ist allgemein nicht sehr gut gelaunt, flucht die ganze Zeit und meckert. Nicht über mich, sondern über andere, die im Weg stehen oder ähnliches. Die Stimmung ist eher angespannt und ich traue mich kaum etwas zu sagen.

Dann steht er vor mir, wir ziehen uns auf und legen uns aufs Bett. Er will knutschen und lobt mich, wie gut ich das doch kann. Dabei versuche ich einfach immer nur sehr zurückhaltend zu sein und mich auf mein Gegenüber einzustellen. Es gibt nichts Schlimmeres als forsche Küsser, die einem sofort die Zunge in den Hals stecken und über die eigenen Zähne lecken.

Im Bett ist die Stimmung ganz anders. Er ist ruhig, will kuscheln und dann spielen. Mit dem mitgebrachten Spielzeug, mit seinen Fingern, mit seiner Zunge. Ich greife nach seinem Schwanz, der sich irgendwie komisch anfühlt. Als ob die obere Seite von einer besonders dicken Fettschicht überzogen ist. Nicht weil er selber dick ist, das ist er nämlich nicht, aber trotzdem fühlt es sich seltsam an. Aber ich lasse es mir nicht anmerken, denn dann komme ich. Und dann nochmal. Und dann kommt er und erwischt mich an meiner Seite. Ich springe unter die Dusche und höre ihn fluchen. Weil sein Bett jetzt nass ist. Und dann kommt er ins Bad.

„Hey, du hältst mich jetzt vielleicht für das größte Arsch, aber ich bin so müde. Ich habe dir Geld für das Taxi auf den Tisch gelegt. Bis zum nächsten Mal!“, sagt er und ich steige verwundert aus der Dusche. Die Zeit ist eh um. Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass wir noch kuscheln oder reden. Dass ich mich in Ruhe abduschen kann und dann wortlos verschwinde, ist doch kein Problem. Ich gehe mit dem Handtuch um den Körper gewickelt zurück.

Das Zimmer ist dunkel, er liegt zugedeckt im Bett und ich fange an meine Sachen zusammenzusuchen. Er dreht sich um. „Ich habe dir deine Klamotten alle auf den Hocker dort gelegt“, sagt er müde und ich sehe, dass er das wirklich gemacht hat. Schnell schlüpfe ich in meine Sachen, sammle noch meinen Kram ein und nehme mir das Geld, was tatsächlich auf dem Tisch liegt. Ich sage noch „bis dann“, aber er reagiert nicht, weil er bereits eingeschlafen ist. Mein Taxi habe ich mir bereits gerufen und ich sehe, dass es in 2 Minuten da ist. Ich husche durch die Lobby, der Rezeptionist ist zum Glück nicht da und wirft mir keinen wissenden Blick zu.

Keine Minute später hält das Taxi vor mir und ich steige ein. „Sind Sie Frau …?“, fragt er und ich nicke. „Wo kommen Sie denn her?“, fragt er und ich bleibe kurz stumm. Muss ich mir jetzt ernsthaft eine Ausrede für einen Taxifahrer ausdenken, wo ich nachts um 2 Uhr war und wieso ich von einem Hotel nach Hause fahren will? „Sie schickt der Himmel. Da kann ich direkt nach Hause fahren!“, wirft er direkt hinterher, weil er mein Zögern bemerkt. Achso. So war das gemeint. Taxifahrer wissen nämlich eigentlich immer sofort Bescheid, wenn sie nachts um 2 Uhr zu Business-Hotels gerufen werden.

Ich denke mir, dass ich vielleicht mal meine Hausnummer in der Taxi-App wechseln sollte, damit all die Taxifahrer nicht sofort wissen, wo ich wohne und genieße die 20-minütige Fahrt in dem modernen Auto mit den weichsten Ledersitzen, in denen ich jemals saß. Ich gebe ihm ein großzügiges Trinkgeld, schminke mich ab und falle zufrieden ins Bett.

Termine, die spontan nachts stattfinden, mache ich eigentlich am liebsten. Der Kunde ist schon müde, aber so geil und bequem, dass er auch die höheren Preise bezahlt. Er macht zwei Stunden aus, weil ich mich für eine nicht mehr aus dem Haus bewegen will, ist dann aber nach nicht mal einer fertig. Weil er befriedigt ist und nun noch schläfriger, überlässt er mir natürlich das restliche Geld, statt eine Stunde Afters-Sex-Talk zu führen. Also ja, meistens lohnt es sich, nach 0 Uhr noch mal aus den Pyjama zu steigen.

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