Es gibt da diese Kunden. Die, die denken, dass sie mit Geld alles kaufen könnten. Teure Autos, teure Uhren, Frauen. Die, die sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Kunde König ist. Die, die Escorts ohne ein Wort zu sagen, versetzen. Weil sie keinen Parkplatz gefunden haben. Weil die Ehefrau noch Butter vom Supermarkt brauchte. Weil der Kumpel angerufen hat und gerne Fußball gucken wollte. Da wird gar nicht daran gedacht, dass sich das Escort den Termin extra freigehalten hat und mindestens eine Stunde vor dem Treffen oder früher mit der Vorbereitung anfängt. Mit dem Rasieren, dem Schminken und dem Anziehen.
Da wird Wochen später einfach ein „sorry. Mir ist was dazwischen gekommen. Aber heute hätte ich Zeit. Du auch?“ geschrieben und gehofft, dass sie noch einmal anspringt. Schließlich hat er ja Geld und sie braucht das Geld. Und wenn die halt nicht will, dann sucht man sich schnell eine Neue. Gibt ja genug.
Und dann gibt es da die anderen Kunden. Die, die sich vorher sehr genau überlegen, wen sie buchen wollen. Die, die von einem Termin zum nächsten hetzen und zwischendurch trotzdem die Zeit finden, Bescheid zu sagen, dass es wenige Minuten später wird. Die, die sich aufrichtig dafür entschuldigen, wenn sie den Termin doch nicht einhalten können und sofort eine Alternative vorschlagen und eine kleine Entschädigung schicken. Die, die alles dafür tun, dass der Termin doch noch irgendwie zu Stande kommt, weil sie Angst haben, dass das Escort bei einer Absage nicht dazu bereit ist, ihn irgendwann doch treffen zu wollen.
Matthias gehört zum Glück zu letzterem. Matthias habe ich bereits ein paar Mal getroffen. Er hat sich lange Gedanken dazu gemacht, wie die Frau sein soll, mit der er ab und zu ein paar Stunden verbringt. Matthias hat ein gut laufendes Unternehmen und arbeitet rund um die Uhr. Immer wenn er in meiner Nähe ist, sagt er Bescheid. Er hat viel zu tun und wenig Zeit. Ein Treffen hat er trotzdem noch nie platzen lassen. „Ich wollte es mir nicht verscherzen“, hat er mir erklärt, als ich für eine knappe Stunde zu ihm ins Hotel komme. Den Aufpreis hat er gerne bezahlt. „Kriegen wir schon hin“, sagt er immer, wenn die Taxikosten mal höher ausfallen oder ich um 1 Uhr nicht mehr bereit bin, meinen normalen Stundensatz zu verlangen. Hauptsache wir sehen uns.
Letztens war es dann wieder so weit. Dank Corona gab es lange kein Treffen mehr. Jetzt ist er wieder öfters in meiner Gegend. Er hat morgens angefragt und eigentlich hatte ich für den Abend ein lockeres, privates Date ausgemacht. Aber vielleicht könnte ich ja beides irgendwie hinbekommen. Ich war fertig gemacht, bereit mich mit dem Mann zu treffen, der mir nur schrieb, dass er jetzt zuhause losgelaufen sei. In meine Richtung. Kein konkreter Treffpunkt, keine genaue Uhrzeit, wann ich da sein soll. So etwas hasse ich ja. Ich saß auf meinem Bett und habe gewartet. Darauf, dass er mir schreibt, wann er ungefähr da sein wird. Es kam keine Antwort. Nicht 5 Minuten später. Auch nicht 15 Minuten später. Ich war genervt und sauer. Schrieb ihm, dass mir das jetzt zu blöd wäre und er das vergessen könnte. Sofort hat er geantwortet. Er telefoniert gerade mit seiner Mutter. Ich habe weiter gewartet. Insgesamt eine Stunde saß ich auf heißen Kohlen, bis ich mich zurück in mein Bett gelegt habe, um meine Serie weiter zu gucken.
„Und wenn ich jetzt am Treffpunkt bin und auf dich warte?“, hat er mir geschrieben. „Dann hast du Pech gehabt. Ich kenne es so, dass man einen genauen Treffpunkt und eine genaue Uhrzeit ausmacht. Und mich nicht eine Stunde lang dumm rum sitzen lässt.“ Er schickt mir ein Foto von seinem enttäuschten Gesicht. Puh. Von seinem äußerst hübschen Gesicht. Aber ich muss stark bleiben. Matthias hat sich nämlich gemeldet. Er will mich schließlich unbedingt treffen und hat seine Geschäftstermine so gelegt, dass wir uns noch sehen können. Er nennt mir das Hotel, in das er gleich eincheckt und die Uhrzeit, in der ich da sein soll. Denn ohne ihn komme ich nicht zu den Zimmern. Das ist nämlich eins von den guten, teuren Hotels. Er wählt immer nur die schicken Sachen, wenn er irgendwo übernachtet. Also lasse ich den hübschen Kerl sitzen (mit dem ich btw eine Woche später ein gutes, erstes Date habe), setze mich ins Taxi und fahre zum Hotel. Matthias steht bereits da und beäugt mich kritisch. Er hat sein Gepäck an der Rezeption verstaut und gesagt, dass eine Mitarbeiterin von ihm gleich kommt, weil er noch Meetings auf seinem Zimmer hat. Corona und so. Er schaut auf meine nackten Beine. Ich trage ein knielanges Kleid mit flachen Lederboots. Ein geblümtes Kleid mit Lederjacke. Ich sehe weder nach hoch bezahltem Escort, noch nach Mitarbeiterin seines Unternehmens aus. Ich sehe eigentlich ziemlich normal aus. Das Kleid ist nicht mal eng. Scheint er auch so zu sehen und führt mich rein.
Er ist zufrieden mit dem Hotelzimmer und entschuldigt sich dafür, dass alles so stressig war. Er hat viel zu tun und muss noch viel arbeiten. Aber er wollte sich das mit mir auch nicht verscherzen. Guter Kunde. Sag ich doch. Er geht duschen, führt noch ein geschäftliches Telefonat, während ich auf dem weichen Bett sitze und warte. Bis er fertig ist. Wir verbringen knapp eine Stunde miteinander und ich ziehe mir gerade die Schuhe an, als das Hotelzimmertelefon klingelt. Er steht gerade im Badezimmer und erzählt mir nebenbei irgendwas. Über die Arbeit. Über seine Kunden. Keine Ahnung. „Das Telefon klingelt. Das Hoteltelefon!“, sage ich zum dritten Mal. Nun etwas lauter. Schnell setzt er seine Geschäftsmannstimme auf und geht dran. „Ja, Sie dürfen Frau xy nach oben schicken. Ich erwarte sie“, sagt er und kommt hektisch in meine Richtung. „Du musst jetzt wirklich gehen“, sagt er und kichert, weil er sich überhaupt nicht auf das Meeting vorbereitet hat. Schließlich hatte er ja etwas anderes zu tun. Ich werfe mir die Jacke über, bestelle mir über mein Handy ein Taxi und laufe schnell zum Aufzug, damit die Mitarbeiterin von ihm, die jetzt auf dem Weg ist, nicht mitbekommt, aus welchem Zimmer ich gerade komme. Ohne entdeckt zu werden, steige ich in den Fahrstuhl und komme im Erdgeschoss wieder auf. Eine Frau steht vor mir. Sie mustert mich kritisch. Starrt auf meine nackten Beine. Es ist Matthias Mitarbeiterin. Puh. Das war knapp.
Zufrieden fahre ich wieder nach Hause und widme mich dem hübschen Kerl, der mir weiterhin Fotos von seinem enttäuschten Gesicht schickt. Ist doch schließlich blöd, dass wir beide ohne kuscheln jetzt einschlafen müssen. Wenn der wüsste …