Du solltest das nicht machen. Du bist zu gut für so etwas

Diese Geschichte liegt schon ein paar Jahre zurück. Damals habe ich noch Kennenlern-Treffen gemacht. Weil ich dachte, dass man das halt so macht. Weil ich dachte, dass ich anders keine Kunden bekommen würde. Ja. Ich war ziemlich dumm. Und heute weiß ich es besser. Solche Treffen lohnen sich nicht. Niemals. Außer, sie finden zum regulären Stundenpreis statt. Oder man ist ein Highclass-Escort mit professionellem Web-Auftritt und Agentur dahinter, die für Dinner-Dates so viel nimmt, wie ich für normale Dates. Weil sie eben auch andere Ausgaben hat.

Auf jeden Fall bin ich verabredet. Mit Jakob. Jakob ist ein Mann Mitte oder Ende 30. Etwas klein. Etwas dick. Etwas unattraktiv, aber noch nicht so hässlich, dass er keine Frau finden würde. Er will mich erstmal kennenlernen, bevor wir uns dann so richtig treffen.

Jakob ist völlig geflasht von mir. So ein hübsches Mädchen. Ihm gegenüber am Tisch. Der Wahnsinn! Jakob fängt an, Fragen zu stellen. Warum ich das mache. Ich bin doch so hübsch. Ich finde doch auf anderen Wegen Männer. Ich muss dafür doch nicht ins Internet gehen. Allein hier wären doch schon zig Männer, die sich glücklich schätzen könnten, wenn sie mich als Freundin hätten.

Jakob hat nicht wirklich viel verstanden. Dass ich auch auf anderen Wegen Männern kennenlernen kann, weiß ich selber ganz genau. Dass das hier aber mein Job ist und ich Geld verdienen will, kann er sich nicht erklären. „Du bist doch so hübsch. Du musst das doch nicht machen.“ Was hat das eine, mit dem anderen zu tun? Wäre ich hässlich, könnte ich das doch nicht machen. Zumindest nicht so, wie ich es mache. Es gibt zwar immer noch genügend verzweifelte Männer, die selbst einer unattraktiven bzw. ungepflegten Frau Geld hinterher schmeißen, damit sie ihm einen bläst. Aber von diesen Männern nehme ich lieber Abstand, weil das meistens die Männer sind, die es möglichst billig haben wollen und der die Frau, die seinen Schwanz dann im Mund haben wird, egal ist. Meine Kunden verstehen, wieso ich das mache und fragen nicht nach. Sie können sich schon selber denken, dass ich das alles ganz freiwillig mache, weil ich eben Spaß dran habe und nicht, weil mir irgendwer im Nacken sitzt.

Jakob sitzt also gegenüber von mir und versteht nichts. Aber er will mich trotzdem mal nackt sehen und vereinbart ein Treffen für den nächsten Tag. Ich stimme zu. Denn manchmal geht Sicherheit vor Sympathie und bei ihm weiß ich ja, dass da kein aggressiver Psychopath hintersteckt. Zumindest kann ich das erahnen.

Wir verabschieden uns und am Abend habe ich die nächste Nachricht. Er will mich einladen. Zu sich nach Hause. Bzw. zu seinen Eltern. Die haben da nämlich eine Familienfeier und er will, dass ich dabei bin.

Nein Jakob. Ich bin viel zu hübsch, um deinen Eltern glaubwürdig vorspielen zu können, dass ich deine Freundin bin. Und du bist zu dumm.

2 Kommentare zu „Du solltest das nicht machen. Du bist zu gut für so etwas

  1. Ich bin mir noch nicht sicher was ich jetzt tun soll. Den Kopf schütteln ob der Einfältigkeit des Protagnoisten oder vor Wut den Kopf auf den Tisch schlagen ob seiner Ignoranz.
    „Du musst das nicht tun“ impliziert ja, dass DAS etwas ist was ganz furchtbar ist, für die Frau die das tut. Der Protagonist ist aber genau danach auf der Suche.
    Ergo, ER glaubt zu wissen, mit seinem Handeln SIE zu erniedrigen, zu missbrauchen.
    Warum tut er DAS dann?

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Christopher Seidel Antwort abbrechen