„Ich habe keine Lust. Schönen Tag noch“

Gerade habe ich mit Jonas telefoniert. 28, sportlich, Handwerker mit eigenem Unternehmen. Er wirkt korrekt und zuverlässig, zumindest bis jetzt, aber trotzdem überkommt mich die Lust nicht, als wir miteinander reden. Er klingt wie ein … Kevin. Er hat diesen leicht asige Slang, den sich die Jüngeren aneignen, wenn sie zu viel Gangsterrap hören und das dann auch verinnerlichen.

„Im Auto machst du nicht, oder“, fragt er hoffnungsvoll, aber ich verneine. „Dann muss ich ja extra ein Hotel suchen.“

Musst du. Steht auch 3mal in meinem Profil, dass ich keine Autotreffen mache und dass ich ein gewisses Niveau erwarte, wenn man mich treffen möchte. Bei ihm scheint kein Niveau vorhanden zu sein. Er hat sich vorab auch nicht die Mühe gemacht, mein Profil vollständig zu lesen. Sonst hätte er mir das Passwort nennen können. Das kann er aber nicht.

„Was muss ich denn an Geld mitbringen? Waren das 100?“

Nein, das waren mehr und Taxikosten kommen auch noch dazu. Man hört, dass er überlegt, dass er damit eigentlich nicht einverstanden ist, aber er hat Bock und weiß, dass er das, was er will, nur bei mir bekommt.

„Ja gut. Okay“

„Hast du dir denn schon ein Hotel ausgesucht?“

Wiehern in der Leitung, weil er überlegt.

„Pff…na das billige an der Autobahnabfahrt, oder nicht?“

Meine Lust ist nicht mehr vorhanden, obwohl ich mir nur eine Stunde zuvor überlegt hatte, dass ich eigentlich Bock auf ein Treffen habe, aber er schafft es, dass nicht nur meine Laune sinkt.

„Aber Auto geht nicht, oder?“, fragt er noch einmal.

„Ich denke, es geht nicht mal mehr Hotel. Ich habe keine Lust“ und lege auf. Er schreibt mir auf WhatsApp: „Was ist den mit dir?“

Puh … dieser Rechtschreibfehler, den auch wirklich nur Kevins machen.

„Ich suche mir meine Kunden sehr sorgfältig aus und ich habe das Gefühl, dass es zwischen uns nicht passen wird“, tippe ich und blockiere sein Profil. „Wieso das den jetzt? Aber wenn du meinst. Schade“ und dann blockiere ich auch noch seine Nummer, nachdem ich ihm einen schönen Tag wünsche.

 

Ich denke an den Kunden von gestern, der mich zu sich nach Hause eingeladen hat. Er hat etwas zu Essen vorbereitet, Kerzen angezündet und die ganze Wohnung ansonsten abgedunkelt. Es ist aufgeräumt, auf dem Tisch stehen Süßigkeiten und aus dem Kühlschrank holt er extra den teuren Weißwein.

„Mir ist das wichtig, dass du dich wohl fühlst. Ich will nicht, dass das irgendeinen billigen Touch hat“, sagt er. Und ich fühle mich wohl, auch wenn der anschließende Sex recht langweilig ist. Mit Jonas wäre es sicherlich besser geworden, aber ich wäre nicht mit so einem guten Gefühl nach Hause gefahren wie nach dem gestrigen Date.

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